Rückblick auf die 44. Legislaturperiode

2. Aussenpolitik

94.083 Zusammenarbeit mit den Staaten Osteuropas
Coopération avec les Etats d'Europe de l'Est

Botschaft: 19.09.1994 (BBl V, 553 / FF V, 537)

Ausgangslage

Da der politische, wirtschaftliche und soziale Umbau in den Ländern Osteuropas sich über mehrere Jahre erstrecken wird, und somit die Zusammenarbeit mit diesen Staaten für eine längere Zeitspanne zu einem festen Bestandteil der schweizerischen Aussenpolitik werden wird, ist eine gesetzliche Grundlage ausgearbeitet worden. Sie lehnt sich im wesentlichen an das Bundesgesetz vom 19. März 1976 über die internationale Entwicklungszusammenarbeit und humanitäre Hilfe an. Der Erlass soll zeitlich beschränkt werden, da die Eignung des Bundesbeschlusses nach zehn Jahren überprüft werden soll.

Im Bundesbeschluss werden Gegenstand und Ziele der Zusammenarbeit mit den Staaten Osteuropas definiert, deren Grundsätze aufgezählt, es werden die Formen der Zusammenarbeit umschrieben und die Frage der Finanzierung wird geregelt. Im Abschnitt über den Vollzug wird die Festlegung von Prioritäten vorgesehen, die Vertragsschlusskompetenz an den Bundesrat delegiert und die Möglichkeit der Unterstützung privater Bestrebungen erwähnt. Zudem ist das Zusammenwirken mit Kantonen, Gemeinden und öffentlichen Institutionen und die Bestimmung einer beratenden Kommission im Bundesbeschluss verankert.

SR 02.12.1994 AB 1994, 1145
NR 07.03.1995 AB 1995, 405
SR 13.03.1995 AB 1995, 250
SR / NR 24.03.1995 Schlussabstimmungen (42:0 / 148:17)

In seinen Grundzügen war der Bundesbeschluss über die Osthilfe im Ständerat nicht umstritten. Gegenstimmen wurden nicht abgegeben. Es gehe darum, die Osthilfe demokratisch zu legitimieren und im Volk abzustützen, betonten verschiedene Redner. Huber (C, AG) erinnerte daran, dass bei der Ostzusammenarbeit auch schweizerische Interessen auf dem Spiel stünden und zwar nicht nur wirtschaftlicher, sondern auch politischer und sicherheitspolitischer Natur. Zu Diskussionen Anlass gab die Frage, ob die Mittel auf Länder konzentriert werden sollten, in denen am ehesten Erfolge zu erwarten seien, oder auf jene, die den dringendsten Bedarf hätten. Loretan (R, AG) kritisierte in der Debatte die Ausdehnung des Begriffes Osteuropa auf die zentralasiatischen Staaten und wollte dass die Hilfe an kleine Staaten, insbesondere an die baltischen Staaten, ausgerichtet werde. Bundesrat Cotti entgegnete, dass eine gewisse Verteilung der Hilfe auch auf dem übrigen Gebiet der ehemaligen Sowjetunion aus Sicherheitsgründen notwendig sei, an die baltischen Staaten habe die Schweiz bereits überdurchschnittliche Finanzhilfe geleistet.

Im Nationalrat stellte keiner der Parlamentarier und keine der Parlamentarierinnen Sinn und Zweck der seit 1990 intensivierten Zusammenarbeit mit Osteuropa in Frage. Unumstritten war, dass die Länder Osteuropas in ihren Demokratisierungs- und wirtschaftlichen Reformprozessen weiter Unterstützung erhalten sollen. Trotz Rückschlägen und Abstürzen müsse die Hilfe fortgesetzt werden, sagte Columberg (C, GR). Laut Fischer (V, AG) hat sich gezeigt, dass sich Westeuropa auf ein deutlich längeres Engagement gefasst machen muss als ursprünglich angenommen. Die Umwandlung der Wirtschaft gehe nicht so schnell voran wie erhofft. Nabholz (R, ZH) sagte, dass die Schweiz aus sicherheitspolitischer Sicht ein grosses Interesse daran habe, dass die wirtschaftliche Not der Bevölkerung nicht dazu führt, dass sich alte Kräfte bei Wahlen wieder behaupten können. Von mehreren Parlamentariern wurde gefordert, bei der Osteuropahilfe geographische und sektorale Schwerpunkte zu definieren, statt die Gelder wie bisher nach dem Giesskannenprinzip zu verteilen. Mühlemann (R, TG) meinte, da man nicht alles tun könne, müsse die Osteuropahilfe sich auf qualitativ hochstehende Projekte beschränken und einer klaren politischen Zielsetzung folgen. Aufgeschreckt durch die Situation in Tschetschenien hat der Nationalrat bei der Detailberatung mit 133 gegen 21 Stimmen eine Menschenrechtsklausel eingefügt. Mit diesem Entscheid wollte der Rat in erster Linie ein politisches Signal setzen. Ein Antrag Mauch Rolf (R, AG) dem Bundesrat nicht nur die Möglichkeit zu geben, sondern ihn dazu verpflichten, die Hilfe im Falle von Menschenrechtsverletzungen zu stoppen, wurde hingegen abgelehnt. Ein Aussetzen der Hilfe würde den in Russland vorhandenen Reformkräften schaden. Mit 123 gegen 5 Stimmen wurde der Bundesbeschluss verabschiedet.

In der Differenzbereinigung hiess der Ständerat die vom Nationalrat eingebrachten Menschenrechtsklausel diskussionslos gut. Eine weitere Differenz räumte er aus, indem er auf seinen Entscheid zurückkam, den Grundsatz der solidarischen Mitverantwortung aus der Vorlage zu streichen. Bei den Zielen der Osthilfe schloss er sich dem Nationalrat an, der neben dem Aufbau der Demokratie und dem Übergang zur Marktwirtschaft auch die soziale Ausgestaltung und die kulturelle Entwicklung festschrieb.

Legislaturrückblick 1991-1995 - © Parlamentsdienste Bern

 

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